Incubus Leben in einer Welt von Superkraft-Nutzern
Chapter 283: Erde-139
CHAPTER 283: ERDE-139
Der Puls war schwach – aber stetig. Er durchbrach nicht die Luft oder verlangte Aufmerksamkeit, aber er war auch nichts, was man ignorieren konnte.
Er lag unter allem, wie das leise Summen, das man erst bemerkt, wenn der Raum still wird, wie eine Glocke, die vor langer Zeit tief unter der Erde angeschlagen wurde und immer noch durch den Stein hallte.
Deacon zuckte nicht zusammen, als es ihn erreichte. Er beobachtete den Spiegel, während das Gefühl sich im Glas niederließ – vertraut, rhythmisch, unverkennbar lebendig.
Etwas Wichtiges hatte sich bewegt – etwas, das mit dem Faden verbunden war.
"Wahrscheinlich der Faden", sagte er mit gleichmäßiger Stimme. "Bestätige es. Nicht eingreifen. Nur beobachten. Zeichne jede Veränderung auf, jede Schwankung. Er will Antworten. Kein Blut... vorerst."
Der Spiegel blitzte nicht auf und zischte nicht. Er reagierte nicht wie ein Werkzeug – er antwortete wie etwas Lebendiges. Er verdunkelte sich sanft, wie ein Licht, das sich erinnert, dass es nicht dazugehört, wie Kälte, die in einen warmen Raum driftet, darauf wartet, bemerkt zu werden, ohne es zu verlangen.
Eine Stimme antwortete von der anderen Seite. Weiblich. Gemessen. Kalt – nicht mit Grausamkeit, sondern mit Zielstrebigkeit. Wie jemand, der seit sehr langer Zeit keine Zeit mehr für Emotionen verschwendet hatte.
"Ich werde dem Echo folgen", sagte sie. "Seine Aura trägt die Rückstände des Kontakts."
Deacon blieb regungslos. "Wenn andere es spüren?"
"Sie werden sich bewegen", erwiderte sie unbekümmert. "Und ich werde sie sehen."
"Berichte alles. Namen, Veränderungen, alles, was aus dem Muster fällt. Wenn dies zu einem Krieg wird, brauchen wir das gesamte Bild, bevor das erste Teil zerbricht."
"Verstanden."
Der Spiegel verdunkelte sich erneut, diesmal leiser. Nicht wie eine Tür, die sich schließt, oder ein Licht, das ausgelöscht wird – sondern wie ein Atem, der den Körper von etwas verlässt, das nie atmen musste.
Erde-139 rotierte noch schwach in der Spiegelung. Blau. Ruhig. Unauffällig.
Aber sie schaute nicht mehr.
Denn sie war bereits dort.
Deacon sagte nichts mehr. Er wandte sich dem offenen Bogen hinter ihm zu, seine Schritte lautlos auf dem Boden – keine Abschiedsworte. Keine Signale, nur ein Zweck.
Und hoch oben – jenseits der geschwungenen Steinrippen der Kathedrale und ihrer zerbrochenen Türme aus atmendem Glas – verschob sich etwas anderes erneut.
Nicht sichtbar. Nicht laut. Aber es war da. Die Präsenz war nie verschwunden. Sie hatte nur ihren Fokus angepasst.
Weit unten, verstreut durch Ruinen, die von Städten verschlungen wurden, und Kultgewölben, die unter vergessenen Schichten von Gesetz und Sprache versiegelt waren, begann ein Flüstern.
Es war kein Gerücht, kein Plan, nur ein stilles, gemeinsames Verständnis zwischen denen, die Dinge spürten, bevor sie sie sehen konnten.
Erde-139 stand nun unter Beobachtung.
Nicht gejagt. Nicht beurteilt. Nicht verflucht.
Noch nicht.
Sie wurde nur beobachtet – mit jener kalten, scharfen Neugier, die immer kam, bevor Entscheidungen getroffen wurden.
Und vergraben in dieser Welt, zusammengerollt unter dem leisen Atem einer Stadt, die ein wenig zu ordentlich wiederaufgebaut worden war, schlief ein Junge. Noch unberührt. Noch unbekannt. Aber unverkennbar... bemerkt.
Nicht vom Schicksal. Nicht von der Prophezeiung.
Sondern von etwas Älterem. Etwas, das ihn niemals hätte bemerken dürfen.
Und vorerst war das genug.
Es gab keine Alarme. Keinen Lichtblitz. Keinen Ton, der die Nacht zerriss.
Aber hoch über Erde-139, zwischen zwei Wolken, die seit Jahrzehnten namenlos dahintrieben, schälte sich der Himmel.
Nicht zerriss. Schälte. Wie altes Pergament, durchnässt und vergessen – leise, sanft, falsch.
Und durch diese Öffnung trat etwas hindurch.
Keine Flügel. Keine Hitze. Keine Form, die beeindrucken sollte.
Nur Präsenz.
Es fiel nicht. Es stieg nicht herab. Es kam einfach an, Stück für Stück – eine Gestalt, weiblich im Umriss, groß, ruhig, beunruhigend still.
Sie trug Weiß, nicht die Art, die leuchtete, sondern die sauber blieb, egal durch welche Welt sie wanderte.
Silberne Linien durchzogen ihr Gewand wie Adern, ständig in subtilen Mustern wechselnd und sich nie wiederholend. Sie waren nicht dekorativ, sondern lebendig.
Eine glatte und leere Porzellanmaske bedeckte ihr Gesicht, abgesehen von zarten Schnitzereien, die wie verspiegelter Staub schimmerten. Auch sie bewegten sich leicht, wann immer sie stillhielt, wie Gedanken, die sie nie laut auszusprechen brauchte.
Sie landete am Rand eines Daches mit Blick auf einen halb reparierten Bezirk. Ihre Füße machten keinen Laut.
Ihre Präsenz drückte nicht gegen die Oberfläche. Sie war einfach... da. Nicht ruhend und nicht stehend.
Anwesend.
Die Stadt darunter hatte Chaos gesehen, so viel war klar. Die Straßen waren ausgebessert und die Mauern wieder aufgebaut worden.
Stromkabel waren auf eine Weise umgeleitet worden, die keinem bekannten Layout folgte. Alles sah aus der Ferne ordentlich aus, aber aus der Nähe war es zu perfekt.
Zu gleichmäßig. Als hätte jemand versucht, die Vergangenheit mit einem Lineal auszuradieren.
Sie scannte die Gegend nicht mit ihren Augen. Sie brauchte das nicht. Blasser Spiegel las die Stadt in Impulsen – Bevölkerungsfluss, Restwärme, kinetisches Ungleichgewicht, alte Kampfnarben.
Nichts davon ist offensichtlich. Aber alles war klar für sie.
Es war zu still.
Sie begann zu gehen.
Nicht schnell. Nicht langsam.
Einfach... vorwärts.
Ihre Schritte hinterließen nichts. Keinen Laut. Keinen Druck. Keinen Geruch. Selbst die Luft weigerte sich, sich zu bewegen, wenn sie sich bewegte.
Niemand unten schaute auf. Niemand zuckte. Niemand hielt inne.
Sie musste sich nicht verstecken. Ihr Schleier war keine Illusion. Er war irrelevant. Sie war nicht unsichtbar. Sie war unwichtig für alle außer denen, die wichtig waren.
Sie ging an einem Stromrelais vorbei, das zu stark für seine Spezifikationen summte. Die Datenleitungen darum herum waren zu alt, aber der Knotenpunkt war brandneu.
Das ergab keinen Sinn. Sie hielt nicht inne, notierte es nur und ging weiter.
Als sie den Stadtrand erreichte, kehrte die Spur zurück.
Schwach. So schwach, dass man es kaum eine Spur nennen konnte.
Es war kein Geruch. Es war keine Erinnerung.
Es war... Abwesenheit.
Die Art von Abwesenheit, die nur für diejenigen Sinn ergab, die sich daran erinnerten, was sie einst füllte.
Sie hielt in der Nähe einer zerbrochenen Außenpostenmauer an – eine, die noch immer das Symbol der Superkraft Vereinigung trug, obwohl es in der Mitte gebrochen war wie eine Wunde, die sich nie geschlossen hatte.
Sie streckte die Hand aus und ließ ihre Fingerspitzen leicht darauf ruhen.
Der Stein pulsierte.
Einmal.
Schwach.
Jemand hatte hier den Raum gefaltet und etwas vergraben und etwas gelöscht. Nicht mit Software. Nicht mit Gewalt.
Mit Wissen.
Und Zeit.
"Es gab einen Einbruch", sagte sie, so leise, dass nur die Luft um ihre Maske es hörte.
Deacons Stimme antwortete nach einem Moment. "War es der Junge?"
Sie zögerte. "Unklar. Aber es stimmt mit dem Ort der letzten Spur des Stabes überein."
"Und?"
"Zu sauber. Es war kein Amateur. Und es war kein Kult."
Eine weitere Pause. Dann: "Fahre fort."
Sie bewegte sich wieder. Nicht in Eile.
Nahe dem Zentrum des Sektors stand eine Station der Assoziation, poliert und stark.
Zu stark.
Zu sauber.