Incubus Leben in einer Welt von Superkraft-Nutzern
Chapter 315: Du bist hier, um zu sehen, ob wir Angst haben
CHAPTER 315: DU BIST HIER, UM ZU SEHEN, OB WIR ANGST HABEN
Die Aufnahme begann mit einem langsamen Schwenk über bröckelnden Beton und halb eingestürzte Mauern, eine Art Szenerie, die zu vertraut war, um noch zu schockieren.
Bunkerreste lagen im Hintergrund, Kisten wie vergessene Knochen gestapelt. Das Rauschen des Feeds zerrte an den Rändern des Bildes, aber die Mitte blieb klar.
Es waren nicht die Trümmer, die zählten. Es war der Klang, der folgte – ein tiefes, stetiges Brummen, das nicht knackte oder knurrte, sondern mit Gewicht durch den Raum rollte.
Nicht bedrohlich. Nicht zufällig. Es war kontrolliert. Ein Signal mit Absicht dahinter.
Dann trat die erste Gestalt ins Bild.
Sie schlurfte nicht. Sie stampfte nicht.
Sie bewegte sich, als hätte man ihr beigebracht, sich zu bewegen. Jeder Schritt war mit unheimlicher Eleganz ausbalanciert, ihre Gliedmaßen bewegten sich geschmeidig, als wäre sie darauf trainiert worden, so zu gehen.
Dies war keine wilde Kreatur, geboren aus Panik und Blutdurst. Sie war gebaut – oder aufgezogen – um präzise zu sein. Ihre Rüstung war kein Flickwerk.
Sie war gemeißelt. Jedes Teil passte sich um ihre Gliedmaßen und den Torso wie eine zweite Haut aus Knochen und Metall, geformt, um zu verbessern, nicht zu schützen.
Sie hatte eine grimmige Symmetrie – fast zeremoniell in der Form.
Ihr Kopf trug eine Maske – etwas zwischen einem Nashornschädel und einem Sensenmannhelm. Schlank, nicht klobig.
Ihre Augenhöhlen glühten nicht nur vor Hitze wie bei den meisten Bestien, gegen die Isabella gekämpft hatte – sie schimmerten mit etwas Gefährlicherem. Erkennung. Intelligenz.
Eine zweite Bestie folgte ihr, langsamer, vorsichtiger, die Arme um einen rechteckigen Behälter geschlungen.
Sie bewegte sich behutsam, hielt neben der ersten an, bevor sie die Box auf den Boden stellte und den Deckel entriegelte.
Was darin war, überraschte sie nicht.
Aber es beunruhigte sie trotzdem.
Eine Flüssigkeit. Dicht. Karmesinrot mit silbrigen Filamenten, die unter der Oberfläche wirbelten, wie Adern, die versuchten, sich wieder zu verbinden. Kein rohes Blut. Kein geerntetes Blut. Dies war raffiniert. Gefiltert. Stabilisiert.
So etwas fand man nicht in der Wildnis. Man stolperte nicht darüber bei Kultritualen.
Das erforderte Infrastruktur.
Das erforderte Zweck.
Isabella pausierte den Feed mit einer Hand und lehnte sich leicht zum Bildschirm, als könnte er ihr etwas zeigen, was sie beim ersten Mal nicht bemerkt hatte.
Die Art, wie die erste Bestie nahe den Kisten kniete – ihre Haltung war weder defensiv noch dominant. Sie war engagiert. Als würde sie darauf warten, dass jemand auf ein Angebot reagiert.
Als sie den Rest des Videos abspielen ließ, gab es keine Gewalt, keine Falle, keine Täuschung.
Nur einen ruhigen Moment.
Dann drehten sie sich um und verschwanden im Rauch, nichts als ihre Botschaft zurücklassend.
Sie verließ die Aufnahme und scannte schnell die Datenschichten. Unter der Hülle des Videos war etwas Aufschlussreicheres – eine Verschlüsselungssequenz.
Nicht kultistischen Ursprungs. Nichts, was man in Plünderertechnologie finden würde. Dies war auf militärischem Niveau. Vor dem Zusammenbruch. Tief im Rahmenwerk der Datei vergraben.
Sie lehnte sich langsam zurück und atmete durch die Nase aus.
Jemand hatte sie unterrichtet. Oder versorgt. Möglicherweise beides.
Was bedeutete, dass die Bestien nicht improvisierten.
Sie hatten Hilfe.
Und wer auch immer ihnen half, war kein verirrter Überlebender oder entlaufener Forscher.
Dies war Zusammenarbeit.
Kein Chaos.
—
Stunden später schritt Isabella leise durch die verzogenen Steinhallen des Unterirdischen Markts.
Die feuchte Luft trug den scharfen Geruch von Metall und wärmereaktiven Chemikalien. Sie klebte an der Haut wie Rauch und schien sich nie zu lichten.
Dies war die Art von Ort, die auf keiner Karte auftauchte, keinen festen Namen trug und sich selbst niederbrennen würde, wenn man zu viele Fragen stellte.
Sie hatte sich schlicht gekleidet – Kapuze tief gezogen, Mantel dunkel genug, um ihre Silhouette zu verschlucken. Ihre Stiefel machten keinen Laut, als sie ging.
Sie hielt nicht an, um die Stände zu betrachten, an denen sie vorbeiging. Sie wusste es besser. Dies war kein Ort für Augenkontakt oder Smalltalk.
Es gab hier keine Wachen, keine Kontrollpunkte, nur einen engen Korridor, der einmal abbog und in eine weite Kammer führte, beleuchtet von zerbrochenen Deckenplatten und dampfenden Lüftungsschlitzen.
Der Raum summte mit gedämpften Geschäften – Kisten mit illegaler Technik, von Bestien geerntete Gliedmaßen, Seiten aus verbotenen Grimoires.
Die meisten Leute warfen nicht einmal einen Blick in ihre Richtung. Die wenigen, die es taten, schauten sofort wieder weg.
Sie ging an einem Verkäufer vorbei, der Bestienreißzähne verkaufte, die in antike Ringe eingebettet waren, an einem Stand, der mit hautgebundenen Folianten behängt war, an geruchlosem Weihrauch, der in Gruppen aus wer-weiß-welchem Grund brannte. Es war ihr egal.
Diejenige, die sie suchte, saß ganz hinten, versteckt in einer Ecke, wo die tropfenden Rohre Schatten an den Wänden tanzen ließen.
Eine Frau wartete dort. Blassgraue Haut. Augen mit Ruß umrandet. Finger mit Symbolen aus fünf verschiedenen Traditionen tätowiert.
Namen hielten sich nicht lange an Orten wie diesem. Aber sie war allein durch ihre Präsenz bekannt genug.
Isabella nahm den Platz ihr gegenüber ein.
Keine Begrüßungen. Keine Fragen.
Die Frau schob ein kleines Gerät über den Tisch. Es war ein Lesegerät, manuell verriegelt, aus der Vor-Verschlüsselungsära, ein Relikt, das nur verwendet wurde, wenn Privatsphäre wichtiger war als Bequemlichkeit.
Isabella nahm es nicht auf.
Stattdessen zog sie ein Fläschchen aus ihrem Mantel und stellte es auf den Tisch, direkt zwischen sie beide.
Die Flüssigkeit darin war unverkennbar.
Sie schimmerte selbst in diesem schwachen Licht – karmesinrot und silbern, mit leichter Bewegung wirbelnd, obwohl der Behälter still stand.
Fast als wäre sie lebendig. Als würde sie sich erinnern, wozu sie einst gehört hatte.
Der Blick der Frau fiel nur für eine Sekunde darauf.
Dann kehrte er zu Isabella zurück.
"Du solltest das nicht haben", sagte sie, ihre Stimme leise, fast nachdenklich.
"Die, die damit handeln, auch nicht", erwiderte Isabella mit gleichmäßigem Ton. "Aber hier sind wir nun."
"Warum bringst du es zu mir?"
"Weil du mehr gehört hast als die meisten. Und ich versuche, keine Zeit damit zu verschwenden, Leute zu fragen, die so tun, als hätten sie nichts gehört."
Die Frau tippte mit einem scharfen Nagel an die Seite des Lesegeräts. "Etwas Ähnliches kam vor zwei Nächten durch. Anderer Verkäufer. Gleiche Energiesignatur. Und diese Probe kam mit einem Wappen."
Isabellas Stimme veränderte sich nicht. "Spiralflügel?"
Die Pause war all die Bestätigung, die sie brauchte.
Die Frau nickte langsam. "Du bist nicht hier, um Gerüchte zu bestätigen, oder?"
"Nein."
"Du bist hier, um zu sehen, ob wir Angst haben."
Isabella antwortete nicht.
Aber das Schweigen sagte genug.
Die Frau blickte zurück auf das Fläschchen. "Was willst du?"
"Informationen", sagte Isabella. "Wie lange ist es schon im Umlauf? Wer hat es berührt? Wer tut so, als hätte er es nicht?"
Die Frau atmete leise aus. "Mindestens drei Monate. Möglicherweise länger. Sie liefern nicht direkt. Immer über Dritte.
Kulte geben Proben weiter, aber nicht immer wissentlich. Einige sind nur Kuriere. Bewegen Kisten, von denen sie denken, es seien Reliquien. Aber es ist Blut. Raffiniert. Präzise. Immer die gleiche Formel."